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Sellmer-Adventskalender: Schmuckstücke für die Vorweihnachtszeit
"Home of Advent Calendar“. Selbst die amerikanischen Präsidenten Nixon und Eisenhower ließen sich mit Sellmer-Adventskalendern fotografieren. Das vielfältige Verlags-Programm umfasst rund 140 Kalender in unterschiedlichen Formaten. Hinzu kommen Sonderanfertigungen auf Wunsch, beispielsweise als Werbemittel. Rund 50 Prozent des Geschäfts entfallen heute auf den internationalen Markt, in England gibt es sogar ein eigenes Verkaufsbüro. Zwar hat auch der Sellmer Verlag in vielen Bereichen die Handarbeit durch Automation ersetzt, an der liebevollen Gestaltung und der Sorgfalt, mit der die beliebten Produkte aus Stuttgart hergestellt werden, hat sich dadurch aber nichts geändert.
„Es ist ein so schönes Produkt, die Begeisterung dafür hat sich über die Generationen vererbt“, erklärt Annette Sellmer, warum während des schon über 70 Jahre dauernden Bestehens der Firma sämtliche Familienmitglieder dem Weihnachtskalender die Treue gehalten haben. Die Frau von Frank Sellmer ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Verlages verantwortlich. Die nostalgischen Stadtansichten, trauten Weihnachtsszenen, romantischen Schneelandschaften mit Weihnachtsmann und die vor allem in England beliebten religiösen Motive der Adventskalender haben eines gemein: Sie sind mit Sorgfalt und großer Liebe zum Detail gestaltet und hergestellt. „Nach unserer Firmenphilosophie muss das, was hinter den Türchen abgebildet ist, inhaltlich zum Motiv der Kalendervorderseite passen“, sagt Annette Sellmer.
Schon der erste Sellmer-Kalender mit dem Motiv „Die kleine Stadt“ – der als Reprint wieder aufgelegt wurde – zeigt diese sorgsame Liebe zum Detail und die ausgefeilte, kunsthandwerkliche Gestaltung. Richard Sellmer hatte ihn im Wohnzimmer seines Hauses in der Schmellbachstraße, gegenüber dem heutigen Sellmer-Firmengebäude, in Handarbeit alleine gefertigt. Er war der erste deutsche Anbieter, bei dem Kunden nach dem 2. Weltkrieg Adventskalender kaufen konnten. Die amerikanischen Besatzungsbehörden erteilten 1945 die Druckgenehmigung. Obwohl ein großer Teil der Adventszeit des ersten Nachkriegsjahres schon vorbei war, wurde Sellmers Kalender ein Riesenerfolg, so dass er das Programm in den folgenden Jahren sukzessive erweiterte.
Amerikanische Präsidenten werben für „the Home of Advent Calendar“
Über internationale Fachmessen gelang es Richard Sellmer schnell, Kontakte zu amerikanischen Kunden zu knüpfen. Der Adventskalender, der in den USA bis dahin noch gänzlich unbekannt gewesen war, fand auch dort begeisterte Abnehmer. Ab sofort konnten auch amerikanische Kunden Sellmers Adventskalender kaufen. Sellmers Verlag wurde sogar bald als „The Home of Advent Calendar“ bezeichnet.
Die opulenten Fotoalben, die die Firmengeschichte dokumentieren, enthalten neben Schwarz-weiß-Fotos aus der frühen Produktion auch einige Briefe von Kindern aus aller Welt, adressiert an den „Secretary General of Father Christmas“ oder gleich an „Santa Claus“. Dass sich die US-Präsidenten Eisenhower und Nixon mit ihren Familien im Rahmen einer Charity Aktion mit einem Kalender aus Stuttgart-Rohr fotografieren ließen, schob die Popularität der Sellmer-Produkte zusätzlich an. Auch dass eine „Miss Christmas-Town“ – die Adventskalender-Königin wurde im Rahmen jener Benefizaktion in den USA jährlich gekrönt – den Verlag besuchte, wurde als schöne Anerkennung verstanden. Zu den am besten gehüteten Erinnerungsstücken zählt eine Weihnachtskarte von Bill Clinton: Der Präsident bedankte sich persönlich für das Exemplar einer Adventskalender-Sonderanfertigung aus den 50er Jahren mit dem „Weißen Haus“ als Motiv, das Sellmer ihm geschickt hatte. Damit nicht der Eindruck entsteht, nur die Amerikaner hätten Weihnachtskalender aus Stuttgart genutzt, um Gutes zu tun: Richard Sellmer selbst finanzierte mit dem Erlös des Motivs „Alt Stuttgart“ die Wiederherstellung von im Krieg zerstörten Fenstern der Stuttgarter Stiftskirche.
Verkaufsbüro England: International ist wichtig
Bei Sellmer entfallen mittlerweile rund 50 Prozent des Umsatzes auf den internationalen Markt. Was die Nachfrage angeht, sind die Briten einsame Spitze. Deshalb wurde im Jahr 2001 bei Birmingham ein Verkaufsbüro eingerichtet. Aber auch in Ländern ohne nennenswerte christliche Tradition wie zum Beispiel Japan wächst die Nachfrage stetig.
Ein ganz wichtiger Geschäftszweig ist inzwischen der Bereich Sonderanfertigungen. Meist handelt es sich um Werbegeschenke, die Firmen ihren Kunden und Mitarbeitern schicken. Neben schlichten Ausführungen, bei denen ein vorliegendes Motiv mit einem Aufkleber versehen wird, gibt es auch die Anfertigung nach individuellen Vorlagen – sowie die beliebten Schokoladenadventskalender. Die Modekette H&M beispielsweise gab einen aparten Schokokalender im Magazin-Look in Auftrag, bedruckt mit einem weihnachtlich ausstaffierten Cover-Girl. Bei Privatkunden legt der Onlineverkauf immer mehr zu.
Während Käufer und Nutzer frühestens wenige Wochen vor Beginn der Adventszeit an Weihnachtskalender denken, nimmt die Produktion der papiernen Schmuckstücke beim Hersteller das ganze Jahr in Anspruch. Ab Ende Januar werden drei große Fachmessen besucht – die Nürnberger Spielwarenmesse, die Paperworld in Frankfurt am Main und die Frühjahrsmesse in Birmingham. Schon im März gehen die ersten Sendungen nach Übersee aufs Schiff, dann folgt die Auslieferung an den Großhandel in Europa und schließlich an den Einzelhandel und die Privatkunden. Die Kalender für das jeweils folgende Jahr werden ab Juni entworfen, kurz vor Weihnachten werden sie gedruckt.
Wurde in den Anfängen des Verlags noch fast alles aufwändig von Hand gefertigt, laufen heute Produktion und Verpackung bis auf ganz wenige Arbeitschritte automatisch; selbst für das Auftragen von Glimmer gibt es eine Maschine. Für die Rationalisierung der Produktion war nach dem Tod Richard Sellmers im Jahr 1969 dessen Sohn Tim verantwortlich. Seine Maßnahmen machten die großen Stückzahlen, die heute benötigt werden, erst möglich. Tim Sellmer starb 2008, seine Söhne Frank und Oliver Sellmer führen den Verlag in seinem Sinne weiter.
Das Sellmer-Verlagsprogramm umfasst derzeit um die 130 Motive, ca. 15 neu gestaltete kommen jährlich dazu. Einige Motive sind seit den 1950er Jahren ununterbrochen im Sortiment; besonders beliebt sind Reprints - eher Adventskalender für Erwachsene. Ob im gängigen DIN A4-Format, ob als Postkarte, ob dreidimensional mit Kulissen zum Aufstellen – so unterschiedlich die Vorlieben der Kunden auch sein mögen: Silberner Glitzerstaub und nostalgische Romantik sind für Adventskalender einfach ein Muss – gewiss nicht nur für Amerikaner.
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